Wie Achtsamkeit den Schlaf beeinflussen kann
Mal wieder so eine Nacht, in der ich mehrfach wach war und mich hin und her gewälzt habe.
Während mein Körper langsam aus dem Schlafzustand auftaucht: Kopfdruck. "Na! Das kann ja heiter werden!", flüstert mein Verstand in mein Gemüt. Gefühlt dumpf im Kopf, schwer im Körper, Stimmung ungemütlich.
Inzwischen bleibe ich da einige Momente. Fühle in meinen Zustand hinein, erlaube ihn. Spüre den Atem mit Aufmerksamkeit. Schau mir meine Gedanken an - mit Interesse und etwas Abstand. So übe ich seit etlichen Jahren, um mich nicht in negative Gedankenstrudel zu verwickeln, erfolgreich.
Nach einer unruhigen Nacht entscheide ich bewusst: Heute ist ein guter Tag, um einen guten Tag zu haben.
D.h. ich erkläre meinem Verstand, dass ich nicht bereit bin, seinen Eskapaden in die Negativität zu folgen. Setze den negativen Gedanken, die ankriechen, ein entschiedenes STOP. Frage mich: "Wie will ich mich heute fühlen?" Und visualisiere "meinen guten Tag heute".
Dann beginne ich, mich sanft zu bewegen, spüre, wie gut Dehnen dem Körper tut. Atme auch damit bewusst.
Mit kleinen Ritualen, die ich liebe, versorge ich mein Gemüt - bereits vor dem Schlafengehen, im nächtlichen Wachsein, und beim Aufwachen.
Ich gehöre zu denen, die schon seit der Jugendzeit Schlafprobleme hatte. In einer Trennung ohne Schlaftabletten keinen Schlaf fand. Die im Burnout mit Herzrasen aufgewacht ist und die Nächte gefühlt unerträglich erlebte.
Meditation, Achtsamkeit und Yoga wurden in dieser Zeit noch entschlossener meine Kraftquellen und Ruheanker. Sie halfen mir endgültig raus aus dem Dilemma und rein in viel besseren Schlaf heute.
Guter Schlaf ist immens wichtig. In der Nacht regeneriert der Körper mit all seinen wertvollen Organen, die unser kostbares Leben ermöglichen.
Sie schalten auf Sparflamme. Dabei erholen sie sich - und wir uns - von den Anforderungen und Aktivitäten des Tages.
Mit Hilfe der Organuhr weiß man, zu welcher Zeit welches Organ ganz besonders von der Ruhe und dem Schlaf profitiert. Vor allem alle Verdauungsorgane, aber auch die Lunge, regenerieren.
Der Körper ist auf außerordentlich intelligente Weise mit Selbstheilungskräften ausgestattet, die nachts besonders aktiv sind.
Es ist das Leben selbst, das uns immer wieder in die Homöostase, das Gleichgewicht zurückführen will.
Allerdings: Was es von uns braucht, ist, dass wir ihm die Gelegenheit dafür geben. Und uns darum kümmern, dass das möglich ist. Und hier beginnt das "Problem" bzw. die große Herausforderung.
Denn unser Ego ist immens stark. Damit ist unser Wollen, unsere Gewohnheiten, unsere Trägheit, unser Widerstand gegen das, was ist, gemeint. Unsere Unsicherheiten, unsere Zweifel, unser Mindset, die negativen Gedanken, Grübeleien, Sorgen und vieles mehr.
Immer mehr Menschen berichten mir, dass sie sehr spät ins Bett gehen, sich nicht von den Medien lösen können, spät abends und nachts versuchen, den Tag zu kompensieren mit schädlichen Substanzen, die sie ihrem Körper zuführen. Dass sie nur sehr schwer zur Ruhe kommen.
Den meisten gelingt es erst nach Mitternacht, sich hinzulegen. Und wenn sie aufwachen, fühlen sie sich dementsprechend schwer, "wie gerädert".
Ein Gesundheitsbericht der DAK stellt 2017 fest: 80 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland schlafen schlecht. Die Ein- und Durchschlafstörungen der Berufsgruppe zwischen 35 und 65 Jahren sind seit 2010 um 66 % angestiegen.
34 Millionen Menschen in Deutschland erholen sich in der Nacht nicht so, dass sie ihre Gesundheit nachhaltig aufrechterhalten können.
Eine sehr bedenkliche Zahl. Irgendwann streikt der Körper und die Psyche, und das kann fatale Folgen haben.
Jeder 10. Arbeitnehmer leidet sogar an einer schweren Schlafstörung. Nur eine Minderheit lässt sich behandeln oder meldet sich krank. Viele schlucken Schlafmittel, sind bei der Arbeit müde (43%) oder regelmäßig erschöpft (31%). Weitere Informationen gibts auf der Website der DAK.
Vielleicht gehörst du – irgendwie - dazu?
Nicht wenige Menschen, die in die MBSR- und Achtsamkeitskurse kommen, klagen über schlechten und/oder zu wenig Schlaf. Und ich erlebe sie im Kurs als grunderschöpft. Sie sind ratlos und erhoffen sich Linderung.
Wir arbeiten intensiv mit den verschiedenen Meditationen und Übungen dieses Programms zur Stressbewältigung. Dabei wird die eigene Erschöpfung fühl- und sichtbarer. Zeit für sich zu reservieren ist herausfordernd in den Mühlen des Arbeits-Alltags.
Die Anstrengung kann dabei zunehmen. Die Konditionierungen, Vermeidungsmuster und Gewohnheiten, die dabei bewusst werden, sind sehr machtvoll. Wenn wir sie jedoch untersuchen und dabei Freundlichkeit mit uns selbst einüben, verändert sich etwas.
Wenn wir hinschauen und ernst nehmen, wie es uns geht und mit uns selbst verweilen, aufmerksam in unserem Fühlen und Denken, entspannt der Körper bereits. Das wirkt sich mit der Zeit auch in der Nacht positiv aus.
Dadurch entsteht eine intrinsische Motivation, an sich zu arbeiten. Kleine Schritte in Richtung Veränderung zu gehen.
Nicht selten erhalte ich am Ende oder auch Wochen nach den Kursen eine Rückmeldung dazu z.B.: "Der Schlaf bzw. die Haltung dazu und der Umgang mit dem eigenen Schlaf ist entspannter geworden."
Oder ein Teilnehmer schreibt mir: "Was ich gemerkt habe seit Beginn des Kurses ist, dass ich besser schlafe. Und meinem Körper mehr Entspannung geben kann."
Eine andere Teilnehmerin, Carina H. beschreibt ihre Erfahrung wie folgt:
"Ich habe einen MBSR-Kurs bei Brigitte gemacht, weil ich über Jahre sehr sehr schlecht geschlafen habe. Dass ich schlecht schlafe, habe ich jeden Morgen deutlich gespürt. Ich habe es aber zusätzlich mit einem Fitness Gadget (einem Oura Ring) gemessen. Der Ring misst verschiedene Vitalwerte wie die Herzfrequenz und deren Variabilität (HFV). Ein hoher HFV Wert gilt als typisches Zeichen für allgemeine Gesundheit und Fitness ist. Ebenfalls ein Zeichen für eine sehr gute Erholung ist, wenn sich der Ruhepuls in der ersten Hälfte der Nacht stabilisiert. Dann kann sich der Körper besser erholen. Mein Ruhepuls sank aber immer erst kurz vor dem Aufwachen und mein HFV-Wert war immer sehr niedrig.
Mit Hilfe des MBSR-Trainings wurde mein Schlaf aber ein wenig erholsamer und auch mein Ring bestätigte zwischendurch etwas bessere Werte. Der große Effekt aber kam mit dem Achtsamkeitstag. An dem auf den Achtsamkeitstag folgenden Morgen, fühlte ich mich zum ersten Mal seit sehr langer Zeit frisch, ausgeruht und erholt. Mein Ring bestätigte dieses Gefühl - mit mir bis dahin unbekannt guten Werten. So hatte ich in der Nacht nach dem Achtsamkeitstag einen für mich außergewöhnlich hohen HFV Wert. Mein Ruhepuls war zum ersten Mal schon zu Beginn der Nacht gesunken und niedrig geblieben und die Dauer meines Tiefschlafs war länger denn je. Der Ring vermeldete insgesamt optimale Schlafwerte. Und so fühlte ich mich auch. So fantastisch wie nach dem Achtsamkeitstag vor 3 Wochen habe ich seither nicht jede Nacht geschlafen. Aber insgesamt haben die 8 Wochen MBSR Kurs schon jetzt eine enorme Verbesserung gebracht. Und ganz eindeutig ist: umso mehr ich Achtsamkeit praktiziere, umso besser wird mein Schlaf."
Auch wenn im MBSR-Kurs nicht gezielt an einer Schlafproblematik gearbeitet wird, verändert sich nicht selten das Schlaf-Erleben als erfreuliches Add-On.
Die Meditationen wirken in sich eine Beruhigung des gesamten Körper-Geist Systems, während wir uns die Unruhe im Kopf und im Körper bewusst machen und sie erforschen: hineinfühlen, hinschauen und da sein lassen.
Das Problem bei schwereren Schlafstörungen ist nicht selten das Fixiert-sein auf das Schlafen-Können. Was nötig ist, ist eine entspanntere Haltung und gleichzeitig eine experimentierfreudige Herangehensweise, die mit Achtsamkeit erlernt werden kann.
Das geht nicht von heute auf morgen. Wir sind gefragt, mit all unserem beherzten Engagement für uns selbst, mit der Bereitschaft, an uns zu arbeiten.
Auch mit dem Vertrauen, dass wir in der Lage sind, uns selbstbestimmt um unsere nächtliche Erholungszeit und damit um unsere Gesundheit nachhaltig zu kümmern.
Mit folgenden kleinen Veränderungen kannst du sofort beginnen:
- das Schlafzimmer so gestalten, dass es frei von jeglichen Elektro- und digitalen Geräten ist
- 2-3 Stunden vor dem Schlaf nur noch leichte Kost zu dir nehmen (schwer Verdauliches liegt schwer im Magen, belastet das gesamte Verdauungssystem und kann den Schlaf rauben)
- mindestens 1 Stunde vorher alle Medien ausschalten
- Beachten: der Schlaf vor Mitternacht ist besonders erholsam und wertvoll!!!
- Kleine Rituale entwickeln, die dir guttun:
- sanfte, achtsame Yogapraxis, bevor du ins Bett gehst, 2-3 kleine achtsame Bewegungen oder Dehnungen genügen
- Entspannungstee kochen und mit allen Sinnen trinken
- eine kleine Atemmeditation, 5 Minuten Konzentration auf die Empfindungen im Atem praktizieren
- Lieblings-Entspannungsmusik hören
- in einem schönen Buch lesen, das den Geist zur Ruhe kommen lässt (z.B. Jon Kabat Zinn: Ruhe im Alltag finden)
- eine Körperreise durchführen, dem kostbaren Leben im eigenen Körper Zuwendung schenken (z.B. mit dem den Bodyscan aus dem Programm)
- ein Dankbarkeitstagebuch führen mit mindestens 3-5 Dingen, Ereignissen, Menschen, für die du dankbar bist – Dankbarkeit regelrecht einüben, denn dankbare Menschen sind per se entspannter - Gedanken beobachten, die sich beim Aufwachen zeigen. Wenn sie negativer Natur sind, und schwermütig: freundlich sein mit sich selbst. Und dann überlegen: wie will ich mich an diesem Tag fühlen? Was brauche ich, um gut mit mir zu sein? Und wie kann ich dafür sorgen?
- Ggfs. ist es auch sinnvoll, den Melatoninspiegel (ein Hormon, das den Schlaf-Wach-Rhythmus reguliert)) messen zu lassen, um sicher zu stellen, dass hier kein Mangel vorliegt.
Es geht bei den Verhaltensanregungen für einen besseren Schlaf darum: Weniger ist viel mehr! Mit kleinen Schritten beginnen.
Ein kleines Ritual auswählen, das Spaß macht und leichtfällt, wählen und durchstarten. Kreativ mit sich selbst sein. Experimentierlust hilft enorm dranzubleiben, 3 Wochen, vielleicht für den Rest deines Lebens.
Mit Übung und Zeit, die wir uns für einen guten Schlaf schenken, entfaltet sich ein entspanntes, freundliches und weises Schlaf-Bewusstsein.
Die Einstellung zum Schlaf, zum Leben und zu sich selbst verändert sich.
Und wenn wir dann unruhig oder schlecht schlafen, geht es uns trotzdem besser. Weil wir wissen, wie wir dem freundlich begegnen können. Dieser Effekt wirkt sich auf alle Lebensbereiche aus.
Mit MBSR, Achtsamkeit und Meditation und entschlossenem Üben habe ich mir meine Selbstbestimmung und Freiheit zurückerobert. Nicht nur "für" meinen Schlaf, sondern auch "im" - zunehmend guten - Schlaf. Und für mein ganzes Leben, nachhaltig.
Das wünsche ich auch dir! Von Herzen.