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Magie des Osterfestes - Achtsamkeit leben

Die Magie des Osterfestes

Als meine Schwester und ich noch klein waren, weckte unser Vater uns an einem Ostersonntag-Morgen sehr früh mit dem Satz: „Ich habe den Osterhasen in unserem Garten gesehen – kommt schnell, bevor er wieder weg ist!“.

Wir sprangen wie von der Tarantel gestochen aus dem Bett und rannten im Schlafanzug die Treppen nach unten Richtung Haustür.

„Pssst, wir müssen ganz leise sein, sonst erschrickt er und läuft weg“ konnte unser Vater uns noch rechtzeitig zuraunen – bevor wir in den Garten stürzten. Er bremste uns sanft aus, öffnete behutsam die Tür einen kleinen Spalt -

und siehe da! Da war er tatsächlich!!! Und hüpfte ganz gemächlich auf dem Rasen herum, hielt hier und da an, Ohren aufgerichtet – und hüpfte weiter.

Wir waren sooo aufgeregt. Dass wir den Osterhasen lebendig bei seiner Arbeit sehen könnten, hatten wir uns nur in unseren Träumen gewünscht. Und wir waren sooo glücklich.

„Jetzt dürfen wir ihn aber nicht stören, damit er in Ruhe die Ostereier ablegen kann.“ 

„Hmmm …“, in unserer Aufregung habe ich zumindest – meine Schwester ist 2,5 Jahre jünger – gedacht, und dann gefragt: „Wo hat der Osterhase denn den Korb mit den Eiern?“

Die Antwort meines Vaters auf diese Frage erinnere ich nicht mehr, sie war wohl nicht überzeugend.

Die Begeisterung und der Zauber des Momentes war übermächtig und so löste sich der Zweifel in Wohlgefallen auf.

Wenige Jahre später entlockten wir meinem Vater die ganze Wahrheit: Er hatte ihn aus dem Hasenstall in den Garten gesetzt und wollte uns überraschen.

Wie phantasiereich Eltern sein können, um ihre Kinder glücklich zu sehen! Und um sich selbst gleich mit ihnen Freude zu bescheren!

Vielleicht fragst du dich manchmal: Wo ist der Zauber, die Begeisterung, die Freude, das Glück in deinem eigenen Leben, jetzt? 

Man könnte meinen, „erwachsen werden“ bedeute, viel Wertvolles von dem, was uns natürlich mitgegeben wurde und wir im Kind-Sein gelebt haben, aufgeben zu müssen.

Während ich diese Zeilen schreibe, erscheint vor meinem inneren Auge der leuchtende Glanz in den Augen des Kindes, das durch mich in die Welt geboren wurde. In den ersten drei Wochen schimmerte durch diese Augen ein Funke, wie ein Licht des „Himmels“. Ich war verzaubert. 

Wir alle sind mit diesem „Glanz des Himmels“ in den Augen, wesenhaft, in dieser Welt angekommen. 

„Wir alle sehnen uns danach, zurückzufinden in unser natürliches Wesen, egal, ob wir das erkennen oder nicht.“ Rupert Spira

Es ist die Reinheit und Unvoreingenommenheit, die Arglosigkeit, die durch Kinderaugen strahlt, unverstellt von Worten, Gedanken, Urteilen, Meinungen, Konzepten, Bewertungen und Vorstellungen, wie Menschen und Dinge sein sollten oder gar „müssen“.

Ihre Offenheit dem Leben gegenüber, ihre Ausgelassenheit und ihr Verbunden-Sein mit allem, was sich Moment für Moment ereignet und zu entdecken ist, ihre Bereitschaft, zu vergessen und zu lieben, sich zu begeistern, sind Qualitäten, die jedoch immer in uns schlummern. 

Die nur darauf warten, auch in uns wahrgenommen und belebt zu werden.

Dass sie da sind, erkennen wir daran, dass wir seltsam berührt sind von kleinen Kindern, oder wenn jemand uns diese lebensimmanenten Qualitäten vorlebt. Und wir erkennen es an unserer Sehnsucht.

Das Fest der Auferstehung kann uns daran erinnern, dass all das, die Magie, der Glanz und der Zauber, die Begeisterung und Offenheit, die Neugier und das Verbunden-Sein mit allem, hier und jetzt, jederzeit verfügbar ist.

All dies kann in jedem Moment „auferstehen“ – aufgeweckt werden kann.

Wir sind magische, spirituelle Wesen – viele Menschen jedoch haben dies vergessen. Es ist entwicklungsbedingt, dass wir zunehmend Trennung wahrnehmen und das Gefühl der Verbundenheit und der Natürlichkeit verlieren, während wir aufwachsen.

Dieses Fest erinnert uns an das, was uns zutiefst im Innersten unseres Wesens vertraut ist, weil es der Natur und der Bestimmung des Menschseins entspricht.

In den MBSR - und Achtsamkeitskursen erlebe ich oft, wie Menschen etwas davon in sich wieder entdecken. Das ist wie ein kleines Auferstehen und sich Aufrichten in das ureigene Leben und Lebendig-Sein im Moment.

Dabei können tiefes Berührt-sein, verschüttete Emotionen zum Vorschein kommen und sich lösen, das Kind in uns entdeckt werden und Überraschendes geschehen. 

Der Zauber des Momentes zeigt sich, wenn wir ganz sinnlich präsent sind, wenn die Lust auf das Leben zurückkehrt, Momente der Freude, des Lachens und Erlaubnis für das eigene Leben im Alltag sich häufen.

Um da hin zu finden, üben wir in der Achtsamkeitsarbeit den „Anfängergeist“ ein, vergleichbar den Augen eines Kindes, das neu und neu-gierig in diese Welt – vor allem zunächst in die Welt in uns - blickt, die uns so selbstverständlich und normal geworden ist.

Sunryu Suzuki, ein ZEN-Lehrer sagt:

"Im Geist des Anfängers liegen unendlich viele Möglichkeiten, im Geist des Experten nur wenige." 

Mitten im erwachsenen „Experten“-Leben können wir ein „reset“ unseres konditionierten Verstandes, der alles immer schon meint zu wissen, der ein großes Kontrollbedürfnis hat und uns damit in eine „Lebens-Box mit klar definierten Grenzen“ setzt, vornehmen. 

Dafür müssen wir stiller werden, viel stiller, als wir es jemals erdenken könnten. Wir müssen lernen, die Stille auszuhalten und sie einüben. Diese Stille, die viele von uns ängstigt und die so viele Kostbarkeiten für uns bereithält. 

Anstatt in Ablenkungen jedweder Art zu flüchten, Hauptsache Action, Hauptsache „up to date“, bestens informiert, und darin der oder die Beste sein zu wollen, müssen wir die Aufmerksamkeit uns selbst zuwenden lernen. Ein gründliches „update“ in uns selbst wirken.

Als Mensch, mit Menschen, ohne ein richtig oder falsch, besser oder schlechter, wichtiger oder weniger wichtig. Ohne Hierarchien oder andere Spaltungen. Mehr „von Herz zu Herz“. Auf Augenhöhe.

Im neuen Testament vermittelt Jesus: 

Trachtet zuerst nach der Essenz des Lebens, der Stille, der liebevollen Wesens-Natur in euch, dem Einssein und Verbunden-Sein mit allem, so werdet ihr Frieden und Freude finden. Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, wird euch der Himmel auf Erden verborgen bleiben. (NT)

Dabei geht es darum, frisch und neu zu erleben, was jetzt gerade geschieht, frei von Vorstellungen, Erwartungen, Konzepten, Meinungen und Bewertungen. Nichts auszulassen. Alles zu leben. Präsent und wach, offen und weit.

Zum Beispiel „wie zum ersten Mal“ in die offenen Augen eines Kindes blicken, das dir auf deinem Weg, lachend, verspielt, frei in deine Augen blickt. Dich davon berühren lassen und innehalten. Erkennen: es ist wie du. Und: es er-innert dich an dich selbst. An etwas immens Kostbares in dir selbst.

Wie zum ersten Mal die Mandarine, die du gleich verspeisen willst, anschauen, fühlen, riechen, schmecken, tasten – in Stille, neugierig, wach, entdecken: Sie ist lebende Materie, sowie du. Staunen.

Neu-gierig werden und sein auf das lebendige Leben in dir selbst, wie es sich im Moment wundersam ereignet. Gespannt sein, wie es sich anfühlt und was es zu dir bringt und von dir will. Das „eigene Wollen“ zur Seite stellen.

Indem wir „neu“ – zunächst auf und in uns selbst – und in die Welt zu schauen lernen, mit den unverstellten Augen eines Kindes, dem Anfängergeist, offen, beherzt und wach – ohne Bewertung, ohne den Schmerz der Trennung hervorzurufen, berühren wir die Essenz, das Wesen des Lebens selbst.  

Die Stille und der „Geist des Nichts-Wissens“ ist bedeutsam, damit der Osterhase seine Arbeit tun kann – damit die Magie des Lebens selbst sich zeigen kann – als Geschenk des Lebens an uns. 

Was die Stille uns schenkt, nicht sofort, aber mit der „Zeit“: das Zauberhafte, die Freude, Begeisterung und Liebe beginnen in uns zu schwingen und klingen. Und unsere Augen blicken mit neuem Glanz in diese Wunder-Welt, in uns, und vor unseren Augen.

Das alles war nie verloren. Es ist immer da. Immer verfügbar. Wenn „wir“ zur Seite treten und Platz machen. Wenn das „Ich“ still wird. Und der Geist und das Herz offen und weit.

Ostern ist immer jetzt. Ich wünsche dir von Herzen eine Auferstehung in die Magie deines kostbaren Lebens.